Die Güterexpetitionsstempel bei der Post

von Walter Roßner
 

Stempel4


Auf Briefen aus Münchberg der Jahre 1859 bis 1875 findet man ganz gelegentlich "Ortsstempel", die in der Festschrift zur Mübria 1964 nicht erfasst sind: die Güterexpeditionsstempel.
Diese Stempel haben mit der Post eigentlich überhaupt nichts zu tun.  Sie wurden von den Güterexpeditionen an den Bahnstationen verwendet. Auf den Warenbegleitscheinen der Eisenbahnfrachten wurde durch den Abdruck dieser Stempel Abgang und Ankunft der Frachtstücke vermerkt. Von den bei der Güterexpedition Münchberg verwendeten Stempeln sind bisher folgende Typen bekannt geworden:
 

1.  Rahmenstempel Güter/Exped./Münchberg (Schrift waagrecht),  ca. 1856 - 59 (Abb. 1);

2.  Rahmenstempel Güter/Exped./Münchberg (Schrift senkrecht und waagrecht), ca.  1860 - 61 (Abb. 2);

3. Zweizeiler KGE Münchberg (antiqua), belegt 1862 (Abb. 3);
 

4. Zweizeiler KGE Münchberg (grotesk),  ca. 1871 - 4 (Abb. 4);
 

5. Zweizeiler KGE MÜNCHBERG (antiqua), belegt 1875 (Abb. 5).
 

(Spätere Typen können in diesem Zusammenhang außer acht gelassen werden,  da deren Verwendung auf Brief bisher nicht bekannt geworden ist.)

Das Vorkommen dieser Stempel soll im Folgenden erklärt werden.  Insbesondere soll versucht werden, den Grund für die einzelnen Verwendungen zu rekonstruieren. Da amtliche Unterlagen nicht vorhanden sind,  lässt sich eine endgültige Klärung wohl nicht erzielen.  Es muss dem Leser überlassen werden, ob er den hier vertretenen Theorien aufgrund der genannten Belege folgen will.

Eine Verwendung von Güterexpeditionsstempeln als Poststempel ist von über 20 Postorten in Bayern belegt.  In Oberfranken sind mir neben Münchberg folgende Orte bekannt:  Forchheim, Lichtenfels, Burgkunstadt, Stockheim, Markt Schorgast,  Stammbach und Schwarzenbach/Saale.  Bei allen Orten befanden sich Post- und Güterexpedition zum Zeitpunkt der postalischen Verwendung der Güterexpeditionsstempel im gleichen Haus,   so in Lichtenfels ab 15.1.1846, in Schwarzenbach vom 1.8.1857 bis zum 1.7.1893.
 

Stempel1


In Münchberg wurde die Postexpedition mit der Eröffnung des Streckenabschnittes Hof - Neuenmarkt der König-Ludwig-Nord-Süd-Bahn am 1. November 1848 in das Bahnhofsgebäude verlegt. Post- und Bahnexpedition Münchberg wurden dem Expeditor Max Josef Brugger am 16. März 1849 gemeinsam übergeben. Wegen dieser örtlichen und personellen Überschneidungen mag es in der Folgezeit -Post- und Bahndienst wurden erst am 1. Mai 1891 getrennt - vorgekommen sein, dass versehentlich der falsche Stempel benutzt worden ist. Vielleicht ist auch bei Beschädigung des einen Stempeltyps der andere als "Reserve"-Stempel eingesetzt worden. Denn ebenso wie Briefe mit Güterexpeditionsstempel vorkommen,  gibt es Frachtbriefe mit Poststempeln (Abb.  15).

Generell lässt sich nach den zurzeit registrierten Belegen nicht sagen,  ob Verwechselung oder Notmaßnahme der Grund für die Verwendung der Güterexpeditionsstempel bei der Post ist. Gute Gründe sprechen jedoch dafür, dass die erste Verwendungsperiode von Güterexpeditionsstempeln als eine Notmaßnahme zu beurteilen ist.  Es liegt ein Dienstbrief vom 16.3.1859 vor, der einen Güterexpeditionsstempel als Aufgabestempel trägt (Abb. 11).  In der Sessler-Sammlung befand sich ein weiterer Brief mit diesem Stempel;  dabei war die Marke (3 Kr. blau, Mi.Nr. 2) mit dem Mühlradstempel 324 entwertet und der Güterexpeditionsstempel als Ortsstempel danebengesetzt. Dieser Beleg war vom 18.3.1859 - vom gleichen Tag ist noch ein Briefstück mit diesem Stempel bekannt.

Dabei fällt auf, dass aus dem Güterexpeditionsstempel (vgl. Abb. 1) das Wort "Güter" entfernt worden ist. Die nunmehr vorhandene Bezeichnung "Exped.Münchberg" konnte aber sowohl für die Bahn- als auch die Postexpedition stehen. Diese Tatsache allein belegt schon,  dass der Güterexpeditionsstempel nicht versehentlich, sondern bewusst verwendet worden ist. Diese Notmaßnahme mag durch eine Beschädigung des Halbkreisstempels bedingt gewesen sein.  Der vor dem 16.3.1859 verwendete Stempel (Abb. 6) zeigt bereits deutliche Abnutzungserscheinungen in der Umrahmung.  Da er sich zudem noch deutlich in den Buchstaben B und R bei Münchberg vom nachfolgend verwendetem Halbkreisstempel unterscheidet (Abb. 7; belegt auf Brief vom 27.8.1859), muss man wohl annehmen,  dass der Stempel zu einer Reparatur weggegeben worden war und in der Zwischenzeit der (Güter) Expeditionsstempel gleichsam als Aushilfsstempel verwendet wurde.

Zu einem ähnlichen Ergebnis wird man wohl bei der Verwendung des Zweizeilers KGE MÜNCHBERG (Abb. 5 und 14, Titelfoto) kommen müssen.  Bislang konnten 10 Poststücke registriert werden;  die Verwendungsdaten liegen bei allen Belegen zwischen dem 14.9.1875 und dem 7.10.1875. Dieser Zeitraum von knapp 4 Wochen entspricht den Zeiträumen,  in denen üblicherweise Aushilfsstempel verwendet worden sind. Da von Münchberg bislang kein Aushilfsstempel der üblichen Typen bekannt geworden ist, muss man wohl annehmen,  dass der KGE- Stempel als "Aushilfsstempel" gebraucht worden ist.  Er erfüllte ja auch alle Anforderungen,  die an diese Stempel gestellt worden waren:  Ort und Datum werden auch durch den Abschlag des KGE- Zweizeilers dokumentiert.

In den genannten Zeitraum (September - Oktober 1875) fällt auch ein Wechsel der verwendeten Einkreisstempel. Der in den Jahren 1872 - 75 verwendete Einkreisstempel (Abb.  9) wurde durch eine neue Type abgelöst (Abb.  10). Es muss noch erwähnt werden, dass bei den KGE- Stempeln die Jahreszahl normalerweise durch 4 Ziffern dargestellt wurde. Bei manchen Abschlägen fehlen eine oder zwei Ziffern,  so dass als Jahreszahl 875 oder 87 zu lesen ist. Bei Briefen oder Postkarten lässt sich dieser Stempel"fehler" jedoch leicht feststellen.

 

Stempel2


Für die Verwendung der KGE- Stempel bei der Post in den Jahren 1867 bis 1874 kann dagegen nach den vorhandenen Belegen keine zufriedenstellende Erklärung gegeben werden. Postbelege sind bisher registriert vom 24.9.1867, 29.11.1871, 7.1.1872 (Abb. 12) und 12.6.1874 (Abb. 13). Die verhältnismäßig großen Zwischenräume erlauben es nicht, bei diesen Verwendungen den Schluss auf einen aushilfsweisen Einsatz zu ziehen.  Zwar könnten die Belege vom 29.11.1871 und 7.1.1872 durchaus zu einem Verwendungszeitraum gehören. In diesen fällt auch der Wechsel vom Halbkreistempel Muenchberg (Abb. 8) auf den Einkreisstempel (Abb. 9). Eine aushilfsweise Verwendung ist aber mit hinreichender Sicherheit nur anzunehmen, wenn weitere Belege aus diesem Zeitraum festgestellt werden könnten.

Trotz dieser Beweisnot vermute ich, dass es auch für diese Verwendungen zwingende Gründe gab und keine bloßen Unachtsamkeiten vorlagen. Die Dienstvorschriften bei der königlich-bayerischen Post waren streng, Unregelmäßigkeiten wurden scharf geahndet. Dass die Bediensteten der Münchberger Postexpedition im übrigen auch gute "Postler" waren,  zeigen die Briefe der Kreuzerzeit:  fast alle tragen saubere Stempel.

Eine fortlaufende Registrierung von entsprechenden Belegen wird meines Erachtens die oben genannte Vermutung bestätigen.  Insbesondere wird der Vergleich der Poststempel vor und nach dem Einsatz eines KGE - Stempels zeigen,  dass diese sich durch Feinheiten unterscheiden - dies deutet auf eine Reparatur des beschädigten Stempels hin -,  oder dass wegen einer notwendig gewordenen Neuanfertigung eine andere Stempeltype verwendet worden ist. Mit diesem Nachweis wäre aber dann mit hinreichender Sicherheit belegt, dass die Verwendung der GüterexpeditionsStempel bei der Post eine Notmaßnahme war. Um dies für Münchberg belegen zu können, bitte ich um Vorlage oder Meldung von weiteren Belegen. Für die bereits erfolgten Vorlagen und für wertvolle Anregungen,  die Voraussetzung waren für das    Zustandekommen dieses Berichtes, möchte ich mich recht herzlich bedanken bei Herrn Dr. Bader/Burk, Herrn Dr. Bergrath/Gefrees, Herrn Bauer/Regensburg, Herrn Doerfler/Niedertraubling, Herrn Fischer/Regensburg, den Herren Königs, Rupprecht und Winkler in Nürnberg,  sowie bei Herrn Weisheit/Gefrees.

 

    •  
Stempel3


Abb.   15 Frachtbrief mit Poststempel vom 17.3.1862